Lee Bauers in Karlsruhe gerettet!
Sie kann also doch nervöse werden…
Eine Story zum schmunzeln wenn man Lee Bauers kennt 😉
Am Wochenende war ich aufgrund meiner Lesereise zwischen Limburg und der Schweiz unterwegs und dachte, das wäre doch mal eine vortreffliche Gelegenheit meine Freundin und W.I.N-Kollegin Susanne auf einen Kaffee zu besuchen. Schon über die Freisprechanlage kam die Sorge in Susannes Stimme und der Hinweis herüber, dass ganz Karlsruhe ein einzige Baustelle wäre und es sicher sinnvoll ist, wenn ich mir einen Parkplatz irgendwo in der Stadt suchen würde und sie dann dorthin kommen würde. Wüsste man doch in diesen Tagen wirklich nicht mehr, welche Straße noch offen war oder ebenfalls schon den Bauzäunen zum Opfer gefallen.
Wie Susanne es mir vorgeschlagen hat, machte ich es dann auch. Sie hatte nicht übertrieben, Fußgängerzonen und Straßen vermischten sich, Bauschilder überall zwischen Fahrradfahrern und so weiter, ich stand kurz davor den Überblick zu verlieren. Aber da hatte ich ihn entdeckt, den sicheren Hafen in Form eines großen Parkhauses. Fragte sich nur wie komme ich dahinein.
Ich wartete geduldig, bis sich wirklich nichts mehr vor meiner Motorhaube bewegte und fand dann eine Lücke hinter einer Straßenbahn, die ich nur dadurch schließen konnte, indem ich Gas gab. Geschafft!
Ich fuhr also im ruhigen Windschatten der Straßenbahn meinem Parkhaus entgegen, als die Straßenbahn bremst und ich gleichzeitig eine Bewegung im Rückspiegel wahrnahm. Senkte sich da hinter mir wirklich eine Schanke herunter? Ich hatte keine Zeit nachzudenken, denn die Straßenbahn setzte ihren Weg fort, ich legte den Gang ein und wollte hinterher, als sich direkt hinter der Straßenbahn, vor meinem Auto wieder eine Schranke senkte.
Ich stutzte, ein Blicke nach hinten: Schranke. Rechts und links neben mir ein zwei Meter hoher Bauzaun. Dann der prüfende Blick auf die Straße. Ich stand auf Schienen, also unter mir und direkt ganz dicht neben mir. Ich spürte förmlich wie die Elastizität meiner Blutgefäß nachließ, die Temperatur meines Blutes ein wenig abfiel. Alles um mich herum war zu! Bilder von Rodeo Boxen in denen sich Wildpferde aufbäumten, die noch nicht eingeritten waren oder Startboxen auf der Rennbahn in denen schnaubende Pferde nur auf den Gong wartete, tauchten vor meinem geistige Auge auf, mein Adrenalin stieg an.
Ganz langsam drehte ich den Kopf nach rechts und sah einen Straßenbauarbeiter hinter mir auf seinem riesigen Gefährt von Bagger sitzen. Ganz langsam schüttelte er den Kopf, ich tat es ihm nach um zu signalisieren: „Ich verstehe, ich dürfte hier nicht stehen“. Jetzt nickte er und schüttelte wieder den Kopf und ich riss die Arme in die Höhe, eine Geste die sagen sollte „Hilfe holt mich hier raus!“
Dann öffnete sich wie von Geisterhand die linke vordere Schranke. Ich setzte den Wagen in Gang, sah ich doch, das jetzt eine Straßenbahn von vorne nahte und ich viel zu weit in der Mitte dieser verdammt engen Rodeo Box (oder wie nennt man das Ding in dem die Pferde still gehalten werden bevor sie anfangen bockend in die Arena zu preschen). „Halt! Sie können da nicht durch!“ Ein Brüllen in meinem Rücken ließ mich erschrocken auf die Bremse treten. Der Straßenbauarbeiter sprang von seinem Bagger und kam von hinten auf mich zugerannt von vorne kam die Straßenbahn. Ich glaube es war dieser Moment als mein Deodorant restlos versagte.
„Es ist hier viel zu eng, ich wollte doch nur…“ – „Bleiben Sie stehen“, kopfschüttelnd stand der Mann vor mir und tatsächlich, ich gehorchte diesem Befehlston, unglaublich.
Dann sah ich ihm in die Augen, dem Straßenbahnfahrer. Er kam auf mich zu langsam aber unaufhörlich. Er hielt meinem Blick stand und hob langsam den Zeigefinder und schwenkt diesen nach links und rechts ganz synchron zu seinem Kopf. Na als wenn ich nicht längst wüsste, dass hier was falsch lief.
Zentimeter trennten nun mein Auto von seiner Straßenbahn. Es war klar wer hier verlieren würde. Weggucke war jetzt angesagt und das tat ich und zwar direkt in die vielen Augen der Passanten, die inzwischen der Straße den Rücken zugekehrt hatten, welche Sie eigentlich überqueren wollten. Da stand doch tatsächlich eine kleine Ansammlung von Menschen die mit einem hämischen Grinsen den Kampf David gegen Goliath, oder den Kampf zwischen A3 Cabrio und Straßenbahn amüsiert beobachten. Ich wollte gar nicht wissen was sie dachten, sicher so etwas wie –typisch blond, oder typisch Frau- es war egal ich wollte doch nur einen Kaffee mit Susanne trinken und hier raus.
„Warten Sie hier einfach bis die nächste Straßenbahn von hinten kommt“, sagte jetzt der freundliche Herr aus dem Bagger, hinter dem sicheren Zaun neben mir. Meine Knie fingen an weich zu werden. Jetzt auch noch ein Straßenbahn von hinten und vor mir eine Schranke, nein das geht nicht, was mache ich wenn die Straßenbahn nicht richtig bremst oder, oder, oder. .. Erwähnte ich, dass ich vor Straßenbahnen einen höllischen Respekt habe?
Ein Geräusch von links ließ meinen Kopf herum schnellen. Da kam er, der nächste Straßenbauarbeiter, braungebrannt und verdammt gut gebaut. Susanne würde sagen ein richtiges Sahneschnittchen. Wer von euch die Coca Cola Werbung kennt weiß wovon ich rede. Und auch er hatte dieses gemeine Grinsen im Gesicht, hingegen sich meines nun gänzlich zu einer verzweifelten Fratze verzog. Ganz lasziv nahm er seine Hand aus der Hosentasche, sah mich an und hob dann einen der Bauzäune an und winkte mich mit dem Zeigefinge zu sich. So einer Geste würde Lee Bauers nie folgen, aber plötzlich wurde ich ganz klein, fuhr an und folgte diesem Finger hypnotisch.
Der Bauzaun wurde wieder hinter mir geschlossen und ich stand jetzt wirklich mitten in der Baustelle. Ganz ohne nachzudenken wählte ich statt der Straßenbahn die spoilergefährdenden Furchen und verstreuten Eisenelemente. Ach ja erwähnte ich, hier wurde gerade ein U-Bahn gebaut, ich rede also von einer richtigen Baustelle.
„Kommen Sie ich leite Sie durch die Baustelle folgen sie mir.“ Warum wurde ich denn plötzlich so ruhig? Immerhin hatte ich jetzt keine Schranken, dafür aber Bauzäune und riesige Bagger um mich herum. Der erste Straßenbauarbeiter joggte plötzlich an mir vorbei und nun wurde ich tatsächlich durch diese Hügellandschaft eskortiert. Dann sprintete der rechte vor und öffnete mir den Weg in die Freiheit, in dem er wieder einen Bauzaun verschob und sich dann aber vor mir aufbaute. „Fahren Sie bloß nicht auch noch einfach hier raus, das ist eine Einbahnstraße!“ Ich riss die Augen auf. Ja, eine Einbahnstraße, zweispurig mit sehr sehr schnellen Autos! wie soll ich denn da den Wagen in einem geschätzten 40° Winkel hineinbekomme, dachte ich. Er schien meine Frage wortlose verstanden zu haben und ging hinaus auf die Straße, benutze seinen Körper mit den ausgestreckten Armen als lebenden Schutzschild. Tatsächlich alle Autos blieben stehen und ich konnte nach dreimaligem Rücksetzen die Reifen auf eine befestigte in die Freiheit führende Straße rollen lassen.
An der Ampel standen immer noch die Menschen mit ihrem gemeinen Grinsen im Gesicht, aber ich hatte Grün und konnte so den lästernden Blicken schnell entkommen. Ich gab mir viel Mühe mit meinem breitem Grinsen die Schamhaftigkeit über dieses dumme Missgeschick zu verstecken, aber wer dicht genug dran war, konnte sie sicher nicht übersehen.
Als ich dann kurz darauf in einer sicheren Parkbucht stand, war mein erster Weg in einen Supermarkt. Da gab es doch immer so eine nette Reklame: „Danke heißt Mercie“ Ich kaufte sofort zwei Tafeln, ließ mich von einer sich kaputt lachenden Susanne aufsammeln und schritt tapfer zurück an den Ort meiner Schmach. Als ich zurück durch den Bauzaun schlüpfte und dem netten Herrn vom Bagger die Schokolade mit einem herzlichen Dank an ihn und seinen Kollegen überreichte, stand in meinem Gesicht die pure Lust am Leben und in seinem eine kleine Schamesröte „Das wäre aber doch nicht nötig gewesen“ sagte er, seine Tat herunterspielend.
Doch das war nötig. Ob Helden, oder Engel, sie sind überall unter uns und manchmal leider viel zu selten darf man ihnen ins Gesicht blicken. Ich durfte sie an diesem Tag in Karlsruhe sehen und ich weiß, dass ich diesen Moment noch lange in angenehmer Erinnerung behalten werde, obwohl die Situation alles andere als angenehm war. Seltsam nicht wahr? Ist das die Magie der guten Taten… die aus Böse, Peinlich oder Schlecht gut zaubern kann.
Als ich ein paar Stunden später die Serpentinen hoch fuhr um mein Hotel zu suchen, dachte ich daran, wie meine Tochter wohl reagiert hätte, wenn sie in diesem Moment neben mir gesessen hätte. Ich wusste es genau. Mit vor Schamesröte geschwollenem Gesicht hätte sie sich in die hinterste Ecke des Fußrauems verkrochen und mir wieder einmal vorgeworfen: „Oh. Mama du bist so peinliche!“ Ja mein Kind, lieber peinlich als langweilig.
Lee Bauers
Autorin