Aller guten Dinge sind drei, sagt der Volksmund. Ich hoffe er hat Recht.
Schon wieder: Lee Bauers diesmal in Dortmund gerettet.
Böse Zungen behaupten, es wäre eine Verkaufsstrategie, aber ich sage Euch, es ist mein persönliches Glück, welches mich immer wieder mit netten Menschen zusammenführt, denn die bösen waren schon weg, als ich kam.
Es war wieder so ein typischer Montag, ich hatte bis zum Anschluss Kunden am Telefon, die es fast geschafft hätten, dass ich meinen Flieger nach München verpasse. In meinem Koffer befanden sich diesmal nicht Laptop und Prozessanalysen sondern ein nagelneues Dirndl. Ein Dirndl, das ich mir in irgendeiner Nacht zuvor via Skype-Sitzung zusammen mit meiner Bekannten Petra im Internet bestellt hatte. Einkaufen und ich, während ich nicht Urlaub habe, ist so gut wie unmöglich, da muss in dringenden Fällen schon mal das Internet herhalten.
Lee Bauers geht das erste Mal in ihrem Leben auf das Münchner Oktoberfest! Wie schön, dass ich wenigsten davon überzeugt bin, dass ich genügend „Holz vor der Hütten“ habe. Spät abends dann ins Bett und am nächsten Morgen zur Modenschau vor Petras Bad und dann auf in die neuen Sphären, die man einmal erlebt haben muss, um mitreden zu können.
Die ersten bösen Blicke bekam ich dann bereits am Mittag, als ich völlig ohne schlechten Vorsatz erzählte, das Lippstadt und Soest auch eine schöne Kirmes hätten. Hiermit entschuldige ich mich in aller Form, vergaß ich doch, dass das Oktoberfest etwas „Heiliges“ für den Münchner ist.
Also übersah ich das Stirnrunzeln und feierte mit meinen Mitstreiterinnen, behängt mit einem rosa W.I.N Women in Network-Herz über die Kirmes, sorry über das Oktoberfest. Erfreute mich an den bunten Kreationen der Trachten und beobachtete später im Käfer’s, wie Sternchen versuchten sich zum Star zu machen, wie junge Männer es nicht früh genug zur Toilette schafften und Frauen einfach zusammenbrachen. Nach dem einen oder anderen Gespräch erkannte ich, dass es tief im Getümmel keine Unterschiede mehr gab, da saßen Frauen, die nicht viel mehr als „Super“ und „wie lieb von Dir“ zum Gespräch beitragen konnten, neben Professoren der NASA.
Lachende und Tränen überströmte Gesichter waren in ihrer Vielschichtigkeit ebenso dabei, wie der einsame Eremit oder dieser Francesco, der hinter mir saß, eine Frau anbaggerte, weil ihm das Geld ausgegangen war, und sich zur anderen Seite über ihre angebliche Hässlichkeit ausließ.
An diesem Tag wurden meine Sinne überflutet von Beobachtungen und Gerüchen, all inclusive bis hin zu den gebrannten Mandeln, die es jetzt auch noch mit Eierlikör- und Cappuccino-Geschmack gab.
Am Abend überwog aber die Erkenntnis, dass es ein schöner Tag war, denn jeder hat die Wahl mit wem er sich umgibt und meine W.I.N Damen, mit denen ich ja schließlich hier verabredet gewesen war, haben mir den Tag kurzweilig und schön erscheinen lassen. Sie waren es wert, dass ich – eingezwängt in meinem Dirndl – brav an meinem Radler festhaltend diesen Tag genießen konnte.
Das böse Erwachen kam am nächsten Tag, als ich mich aus dem Gästebett rollte und auf die Füße stellen wollte. Es ist schon blöd, dass zu so einem edlen Dirndl keine Turnschuhe passen. Ein Stöhnen entglitt mir und irgendwie wäre ich in diesem Moment gern auf Watte oder Eisschollen gewandert.
Aber ich will nicht jaulen, bin es gewohnt die Zähne zusammenzubeißen und immerhin hatte ich aufgrund Petras großzügiger Gastfreundschaft noch einige Stunden, um mich beim Korrigieren meines Manuskripts DARKEN II, das in den nächsten Tagen Abgabetermin hatte, zu entspannen. Nur zu dumm, dass ich irgendwann allein gelassen in einer mir fremden Wohnung Hunger bekam. Das Brot fand ich, die Butter auch, aber den ON-Knopf der Brotmaschine nicht! Ich drehte und wendete dieses Ding hin und her und musste mich dann hungernd am Wasserhahn bereichern. Naja, das Radler hat ja eine Menge Kalorien, da war auch so einem erzwungenen Diättag etwas Gutes abzugewinnen.
Als ich dann irgendwann am frühen Abend auf schleichenden Sohlen den Airport erreichte, überkam es mich. Ich stürzte mich auf die erste gastronomische Einrichtung und verschlang einen halben Tintenfisch und schlenderte dann mit Hilfe der Gehbänder durch die unendlichen Weiten des Flughafens München.
Dass die Maschine nun auch noch Verspätung hatte, kümmerte mich nicht, denn mein Po tat nicht weh, es waren ja die Füße, und Sitzplätze gab es hier genug. Also verharrte ich geduldig mit DARKEN vor der Nase und wartete. Trotz Nachtflugverbot schafften wir es endlich viel zu spät wieder in Dortmund zu landen und ich trieb mich mit der letzten Kraftreserve -die sich immer noch nur auf die Füße bezog- mit meinem Koffer zum Auto.
Es war schon spät, so gegen 22:45 Uhr und natürlich stockdunkel, als ich endlich auf dem öffentlichen Parkplatz ankam. Schon von weitem dachte ich, dass mir mein Auto noch nie so hoch vorgekommen war. Als ich dann letztendlich vor ihm stand, war das Rätsel gelöst. Sauber aufgebockt stand mein schönes schwarzes Cabrio auf vier Säulen aus je acht Bausteinen vor mir – ohne Räder. Ich sah hin, runzelte die Stirn, war einen Augenblick nicht sicher, ob es nicht vielleicht doch in der Luft schwebte, dann musste ich erst einmal lachen.
Tatsächlich, für einige Sekunden waren meine Füße vergessen! Was für eine Wohltat. Dann lief das antrainierte Krisenmanagement ab. Die vier „W“, also Handy aus der Tasche und Polizei angerufen, danach den ADAC und dann den Martin. Der Spaß begann und die Sprüche häuften sich. Die Polizei, die wieder mit adretten Herren im Einsatz war – schade, dass es so dunkel war und sie den Lichtkegel ihrer Stableuchte nur auf das Auto hielten – wollten mir doch tatsächlich erklären, dass man hier nicht parken darf und ich Glück gehabt hätte, nicht abgeschleppt worden zu sein. Natürlich verteidigte ich mich, unter Einbezug meiner Haarfarbe und meiner angeborenen Risikobereitschaft. Glück hätte ich wirklich gehabt, ließ ich sie wissen, denn sonst hätte ich mich ja jetzt nicht so angenehm mit ihnen unterhalten dürfen!
Dann kam der große Mann vom ADAC, löste die Polizei ab und sah sich erst einmal ganz lässig bei einer neuen Zigarette den Sachverhalt an, um festzustellen, dass er meinen Wagen nicht abschleppen konnte- Er hätte ja keine Reifen mehr! Gut, dass mich die Polizei auf diesen Sachverhalt auch schon hingewiesen hatte, wäre mir sonst sicher entgangen. Aber er war ein Gentleman und verstaute meinen Koffer auf seinem Bock, so nennt man doch solch große Autos, oder?
Ich versuchte, von der anderen Beifahrerseite aus in meiner neuen, viel zu engen Jeans das Bein so hoch zu schwingen, dass ich meinem Koffer folgen konnte. Ich war froh, dass Andrea nicht bei mir war, die hätte sich wieder über mich totgelacht. Dann fing der nette Herr vom ADAC an zu plaudern. Er sah schon ganz schön Taff aus, so in seiner Montur und erinnerte mich ein wenig an Karlsruhe. Als er an die Stelle kam, in der er von seiner Frau erzählte, die schon lange auf ihm im Bett wartete und jetzt noch länger warten müsse, weil ich dazwischen gekommen sei, sah ich meine Chance gekommen. Ich tröstete ihn damit, dass ich ja Autorin wäre und immer für solche Fälle ein Buch in der Tasche hätte, das ich ihm gern signieren würde. Er solle dies seiner Frau in die Hand drücken.
Er lachte und tatsächlich er blieb bis zum Schluss an meiner Seite und wartete, bis ich brav nach unzähligen Unterschriften und Fragen einen Leihwagen bekam. Endlich konnte ich ihm dann DARKEN I signieren. Ich hoffe, seine Frau ist mir jetzt nicht mehr böse … und dass er es nicht noch wird, schmunzel.
Endlich, mitten in der Nacht, öffnete ich dann zu Hause meinen iPad doch noch mal und fand gleich Martins Reaktion und den ironischen Vorwurf, warum ich die Reifen nicht mitgenommen hätte, als ich für so lange Zeit den Wagen abgestellt hätte? Als ob er nicht wüsste, dass ich immer nur versuchte, seine „Teuerste“ zu bleiben. Wie sollte ich näher an diesen äußerst attraktiven Mann herankommen, wenn nicht durch meine kleinen Katastrophen?
Ach, es war eine lange Nacht, aber eine mit vielen interessanten Begegnungen, selbst mein lieber Jörg simste, er wäre in Krefeld und könne mich sofort retten kommen. Als ich ihn fragte, ob er denn vier Räder im Kofferraum hätte, kam ein trauriges „NEIN“ und ich lehnte dankend ab, denn es reichte mir, dass ich der ADAC Frau schon ihren Mann vorenthalten hatte, da wollte ich nicht auch noch Dany warten lassen.
Gibt es ein Fazit, Frau Bauers, könnte man mich jetzt fragen. Ja, das gibt es. Ich merke immer wieder, dass die Männerwelt nicht so schlecht ist, wie ich es jahrzehntelang glaubte. Dass keine Situation so schlimm sein kann, dass man fluchen muss und dass jede schmutzige Pfütze ein lustiges Spiegelbild widerspiegeln kann, es kommt nur darauf an, wie man hineinschaut.
Wäre an diesem Abend nichts passiert, wäre es nur ein anstrengender langer Abend mit wehen Füßen gewesen. So wurde es ein Abend mit spannenden Begegnungen, mit Witz und Charme und dem Beweis ich mag die Männer doch und finde es wunderbar, von ihnen gerettet zu werden. Einen Schaden gab es nicht wirklich, Winterräder hätte ich sowieso kaufen müssen, jetzt spar ich mir die Fahrt in die Werkstatt. Dank meiner ADAC Plus Mitgliedschaft durfte ich kostenfrei Opel Zafira fahren, nur um festzustellen, ich mag das Auto nicht. Darken liest man jetzt auch in Dortmund und woher sollte ich sonst den Stoff für diese Kolumne nehmen? Dies soll keine Fürsprache für die Diebe sein, Reifen zu stehlen, das tut man wirklich nicht, aber es soll ein Appell an diejenigen sein, die aus einer Fliege gern eine Elefanten machen anstatt einen Schmetterling, der doch viel hübscher ist.
Eure Lee Bauers